17.04.2020

Wie Küchenhändler flüssig bleiben

Wie Küchenstudios ihre Liquidität sichern und steuern können, erläutert Volker Schmidt von der SEB Steuerberatung in diesem Fachbeitrag.

Grafik: SEB

Volker Schmidt. Foto: SEB

„Geldfluss“, „flüssig bleiben“ – im Wirtschaftsleben sind einige Wassermetaphern unterwegs. Warum das so ist, kann nur gemutmaßt werden, doch das Wort „Liquidität“ wird seinen Teil dazu beigetragen haben. Es kommt vom lateinischen „liquidus“ (flüssig) und ist eine der Grundvoraussetzungen, ein Geschäft zu führen.
Was Liquidität bedeutet, weiß jeder Selbstständige. Wer am Geschäftsleben teilnimmt, wird Teil eines manchmal komplizierten Geflechts auf Verbindlichkeiten. Ein Küchenstudio hat Lieferanten, zahlt Miete, Steuern und Gehälter, auf der anderen Seite hat es Einkünfte aus den verkauften Küchen. Liquidität bedeutet nun, die Verbindlichkeiten bei Fälligkeit begleichen zu können – mit anderen Worten: Ohne Liquidität geht es nicht. Im Folgenden geht es nun darum, wie in Küchenstudios Liquidität erreicht wird und wie sie gesteuert werden kann.

Liquidität beim Handel mit Einbauküchen
Es beginnt recht einfach: Hat sich der Kunde für seine neue Traumküche entschieden, wird der Kaufvertrag abgeschlossen. Darin vereinbart ist fast immer eine Anzahlung. Übersetzt ins Thema Liquidität heißt das: Der Kücheneinzelhändler nimmt beim Kunden eine sonstige Verbindlichkeit in Anspruch. Diese besteht darin, dass er zum vereinbarten Zeitpunkt eine Küche liefert. Aus dem Geldeingang aus der Anzahlung kann das Küchenstudio zum Beispiel seine Fixkosten decken.
Im nächsten Schritt wird beim Kunden ausgemessen und die Küche beim Lieferanten bestellt – und zwar so, dass die Ware kurz vor Aufbautermin vollständig am Lager steht. Nach der Installation wird der Rest des Rechnungsbetrages kassiert. Die Anzahlung wird gegengerechnet. Die Forderung gegenüber dem Kunden aus der Endrechnung ist nun beglichen. Auf der anderen Seite sind gegenüber dem Lieferanten Lieferantenschulden eingegangen worden. Diese werden mit dem nächsten Termin, eventuell dem Zentralregulierungstermin, beglichen. Ist dieser Schritt erfolgt und hat der Kunde keine Gelder wegen Reklamationen einbehalten, kann ein Saldo aus dem Geschäft ermittelt werden: der Rohgewinn. Dieser Rohgewinn abzüglich der aus der Anzahlung tatsächlich bezahlten Fixkosten ist der Gewinn an der Küche. Dieser kann vom Küchenhändler frei verwendet werden. Zum Beispiel als Entnahme zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts. Im Idealfall ist das Zahlungskonto nun wieder auf Null.

Gedankenspiel zur Liquidität
Das ist der grobe Ablauf jedes einzelnen Küchenverkaufs – er erlaubt einige Gedankenspiele:

  • Ein Bankkredit braucht nicht in Anspruch genommen zu werden, weil der Kunde in der Regel früher zahlt, als die Verbindlichkeiten beim Händler fällig werden.
  • Zwar könnte durch ein frühes Bestellen der Ware ein höherer Gewinn erzielt werden, doch dann wäre der Kaufpreis der Ware fällig, bevor der Kunde bezahlt hat. Das geht zu Lasten der Liquidität. Aus diesem Grund werden Kommissionen am besten passgenau bestellt.
  • Wenn die Anzahlungen zu hoch angesetzt sind, können aus der Kundenrestzahlung die Lieferanten nicht bezahlt werden und das Geld muss aus einem Kredit kommen.
  • Sind die Entnahmen des Einzelhändlers höher als der Gewinn, muss ein Kredit bei der Bank aufgenommen werden. Sind sie niedriger als der Gewinn, wird Kapital und Liquidität geschaffen.

Die Entwicklung der Liquidität
Aus diesen generellen Überlegungen anhand eines Geschäftes soll nun auf die Liquiditätsentwicklung eines Jahres geschlossen werden. Dazu werden die Zahlen eines Geschäftes zu den Zahlen aller Geschäfte eines Jahres verdichtet. Die vorhandene Liquidität am Anfang eines Jahres wird unter Verdichtung aller Einzelgeschäfte zu einer Summe, der Liquidität am Ende eines Jahres. Eingeflossen sind hier alle Einflussfaktoren für die Liquidität (siehe unten).

Liquidität sichern
Wie eingangs gesagt: Die Liquidität ist enorm wichtig. Das merkt man besonders in Krisenzeiten wie derzeit. Wenn der Laden zu bleibt, können keine neuen Küchen verkauft werden. Gleichzeitig läuft ein Teil der Kosten (Miete, Personalkosten) weiter. Es sollte also versucht werden, lang- und kurzfristig auf die Liquidität des eigenen Geschäfts einzuwirken. Und hier bieten sich dem Unternehmer eine Reihe von Möglichkeiten, die auch jetzt in der Corona-Zeit angegangen werden können:

  • Jahresüberschuss: Hier kann man die Rohgewinne erhöhen, in dem die Kalkulationseingaben verändert werden. Gleichzeitig sollte bei den Fixkosten gespart werden, indem zum Beispiel Kurzarbeit eingeführt und Kurzarbeitsgeld beantragt wird.
  • Bei den Anlageabschreibungen sind die Sonderabschreibungen und Investitionsabzüge zu nennen. Musterküchen sollten dazu im Anlagevermögen und nicht im Warenbestand geführt werden.
  • Fremdkapital: Durch höhere Anzahlungen vom Kunden, zum Beispiel eine zweite Anzahlung bei Anlieferung der Ware vom Hersteller, kann das Fremdkapital erhöht werden. Auch das Verhältnis zum Lieferanten bietet hier Stellschrauben: Die Zahlungen können hinausgezögert werden, zum Beispiel, wenn der Kunde die Ware am Lager nicht abnimmt, die Fälligkeit der Zahlung aber heranrückt.
  • Vorräte vermindern: Das kann erreicht werden, wenn nur noch Geräte eingeplant werden, die bereits am Lager sind. Oder wenn man die Ware für die Kommissionen später, das heißt näher zum Auslieferungstermin anliefern lässt.
  • Forderungen gegenüber dem Kunden senken: Der Kunde hat bezahlt, wenn die Küche geladen wird. Einbehaltungen sollten stringent vermieden werden. Und dazu sollten Reklamationen schnell abgewickelt werden.
  • Investitionstätigkeit: In Krisenzeiten sollten keine Neuanschaffungen getätigt werden. Stattdessen können Fahrzeuge oder Musterküchen verkauft werden. Und im Notfall können die Elektrogeräte aus der Ausstellung abverkauft werden.
  • Kreditaufnahmen: Um die Liquidität zu erhöhen, kann Kontokorrent in Darlehen umgewandelt werden. Auch eine nachträgliche Finanzierung von noch bezahltem Anlagevermögen sollte ins Auge gefasst werden.
  • Entnahmen vermindern: Alle privaten Kosten vermeiden. Steuervorauszahlungen auf 0 herabsetzen lassen. Versicherungen strecken. Eventuell private Rücklagen zu Stärkung der Liquidität einsetzen.

Liquiditätszuschuss beantragen
Wenn trotz aller Maßnahmen Liquiditätsengpässe entstehen, können staatliche Zuschüsse beantragt werden: Unter https://www.seb-steuerberatung.de/aktuelles/aktuelles-zur-corona-krise/ kann eine Tabelle heruntergeladen werden, mit der man anhand der eigenen Zahlen sieht, welche Zuschussmöglichkeiten sich ergeben. Eins nämlich ist sicher: Die Corona-Situation wird noch etwas andauern. Maßnahmen zur Existenzsicherung zu ergreifen, ist also unbedingt notwendig.

Zum Autor
Volker Schmidt ist nicht nur Steuerberater und Vereidigter Buchprüfer – er ist ebenfalls Fachberater für Unternehmensnachfolge und für die Umstrukturierung von Unternehmen sowie Datenschutzbeauftragter insbesondere für den Küchenhandel. Die SEB Steuerberatung beschäftigt 50 Mitarbeiter und ist seit 1990 auf den Kücheneinzelhandel spezialisiert. Derzeit betreut die Beratungsgesellschaft rund 80 Kücheneinzelhandelsunternehmen unterschiedlicher Größen mit diversen Verbandszugehörigkeiten. Die persönliche Betreuung hinsichtlich betriebswirtschaftlicher, steuerrechtlicher, buchhalterischer und datenschutzrechtlicher Fragen steht dabei im Vordergrund.

Einflussfaktoren für die Liquidität

  • Der Jahresüberschuss (Gewinn).
  • Die Abschreibungen (weil sie als Aufwand den Gewinn gemindert haben, aber tatsächlich nicht vom Konto bezahlt wurden).
  • Die Erhöhung oder Verminderung des Fremdkapitals (Lieferantenschulden, Sonstige Verbindlichkeiten z.B Anzahlungen von Kunden).
  • Die Erhöhung oder Verminderung von Warenbeständen (Geräte oder Ware für Kommissionen).
  • Die Senkung oder Erhöhung von (Kunden-) Forderungen (Wenn Kunden schneller bezahlen = Erhöhung, wenn Kunden langsamer bezahlen = Verminderung).
  • Investitionen (Anlagenverkäufe müssen bezahlt werden, Wenn Anlegevermögen verkauft wird, bringt das Liquidität).
  • Kreditaufnahmen (z.B. für Investitionen).
  • Entnahmen (Lebensunterhalt, Einkommensteuer, Kranken- und Rentenversicherungen etc., Autonutzung etc.).