16.09.2021

Abwartend und auch etwas ratlos: So betrachten manche Unternehmen des Mittelstands den allgegenwärtigen Trend zur Digitalisierung noch immer. Wie der Umstieg ins „Digitale“ stimmig zur Unternehmenskultur gelingen kann, zeigt das Beispiel systemceram.

Kevin Göbel (Foto Mitte) und Felix Engel (rechts) führen das Unternehmen systemceram ins digitale Zeitalter. Bei der Kommunikation über die neue Website sowie umfangreichen Social-Media-Aktivitäten bauen die geschäftsführenden Gesellschafter auf die Expertise von Dennis Mittelmann (Foto links) und dem Trendview-Team.

Der aktuelle Produktkatalog kann auch online durchgeblättert werden. Foto: Bildschirm

Service-Tipps zu Produkt, Material, Pflege und Montage. Foto: Bildschirm

Farben, Maße, Einbauarten: Der Produktfinder zeigt, was möglich ist. Foto: Bildschirm

Neueste Instagram-Aktion: Der systemceram-Rucksack geht um die Welt. Foto: Bildschirm

Der Spülenhersteller und Keramikspezialist aus Siershahn im Westerwald erfüllt alle Kriterien für ein „typisches“ Unternehmen des Mittelstands: familiengeführt, tief verwurzelt in der Region, mit vielen langjährigen Mitarbeitern und einer loyal gelebten Partnerschaft mit dem Fachhandel. Der Umsatz mit keramischen Produkten für Küche, Bad und Labor hat sich über die Jahre kontinuierlich entwickelt und liegt aktuell bei knapp 40 Millionen Euro. Das gibt Spielraum für nachhaltige Investitionen in Unternehmen, Produkte und Service. Es läuft bei systemceram, so der Eindruck.
Und doch waren sich die geschäftsführenden Gesellschafter Kevin Göbel und Felix Engel im Jahr 2018 einig: Es wird Zeit für einen zeitgemäßen digitalen Umgang mit Kommunikation und internen Prozessen. Den Anfang machte klassisch die eigene Website. Die war seinerseits zwar noch recht jung, wies aber trotzdem einige strategische Mängel auf. In Zusammenarbeit mit der Koblenzer Agentur Trendview wurde die digitale Visitenkarte im Netz von Grund auf neu konzipiert, gestaltet und funktional erweitert. Im modernen, suchmaschinenoptimierten Design und auf Basis flexibel erweiterungsfähiger Programmbausteine beantwortet die Seite seit 2019 nun viele Fragen und Details zu Unternehmen und Produkten. Über eine Suchfunktion können Fachhändler und Endverbraucher mit nur wenigen Klicks prüfen, welche Spülenmodelle in welchen Farben, Maßen und Einbauarten zur Verfügung stehen und welche Armaturen und weiteres Zubehör erhältlich ist. Broschüren und Produktdatenblätter stehen zum Download bereit oder können am Bildschirm durchgeblättert werden. Ebenso Montageanleitungen für Fachhändler. Die Kontaktmöglichkeiten wurden ebenfalls anwenderfreundlich gestaltet. Das ermöglicht nun die die direkte Kommunikation mit den einzelnen Abteilungen. So sind Kunden noch einfacher und schneller beim richtigen Ansprechpartner. Zusätzlich in Planung ist die Integration eines Online-Ersatzteilshops.

Auf allen Kanälen
Die Umsetzung der modernen Unternehmenswebsite kam bei der Geschäftsleitung so gut an, dass schnell feststand: „Wir wollen uns noch mehr der digitalen Kommunikation öffnen.“ So wurde die Zusammenarbeit mit dem Trendview-Team rund um den geschäftsführenden Gesellschafter Dennis Mittelmann weiter intensiviert. Ein Facebook-Auftritt machte den Anfang, es folgten Social-Media-Kanäle auf Pinterest, Instagram und YouTube. Gefüllt werden diese mit einem bunten Mix aus Produktinspiration, Unternehmensnews und Service-Beiträgen zu Eigenschaften und Pflege von Keramikspülen „made by systemceram“. Dafür werden auch passende Video-Clips produziert. Zudem steuern viele der 230 Mitarbeiter Content bei. „Aktuell läuft unsere Rucksack-Aktion“, nennt Kevin Göbel eins der kreativen Beispiele: Zur Weihnachtsfeier im Dezember 2020 erhielt jeder Mitarbeiter einen Rucksack mit systemceram-Aufdruck. Und die gehen seitdem als Reisebegleiter mit um die Welt und werden für die Social-Media-Kanäle fotografiert und gepostet. Noch produktbezogener waren Aktionen unter den Überschriften „Weihnachtsbäckerei“ oder „Halloween“, bei der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systemceram-Spülen im alltäglichen Gebrauch zeigten. Seit April 2021 gibt es als neuesten digitalen Kommunikationskanal eine interne Mitarbeiter-App, die das „Schwarze Brett“ der innerbetrieblichen Kommunikation ins Digitale verlegt und durch weitere Möglichkeiten wie zum Beispiel abteilungsinterne Chat-Gruppen bereichert. Rege genutzt wurde die App auch jüngst für das EM-Tippspiel. Das hat bei systemceram Tradition.

Zielgruppen exakt ansprechen
Weiterhin sind künftig Kampagnen im Onlinebereich in Planung, mit der die verschiedenen Zielgruppen wie Fachhandel und Endverbraucher spezifisch angesprochen werden können. „Damit können wir exakt die Zielgruppen von systemceram erreichen und die daraus entstehenden Daten analysieren, so dass die Erfolge der Online-Kampagnen direkt messbar werden und sich Rückschlüsse für weitere Maßnahmen daraus ziehen lassen“, erläutert Dennis Mittelmann von Trendview. Und er ergänzt: „So können beispielsweise Erkenntnisse der Onlinekampagne über nachgefragte Produkthighlights oder Besonderheiten direkt in die zukünftige Produktentwicklung mit einfließen.“

Den Fachhandel unterstützen
Die vielfältigen digitalen Aktivitäten haben das Ziel, möglichst vielfältig die Eigenschaften und Vorteile der Produkte darzustellen mit der Marke systemceram noch präsenter beim Endkunden zu sein. Das soll den Fachhandel unterstützen. Denn bei aller Offenheit für die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation mit potenziellen Küchenkäufern steht für die beiden Geschäftsführer fest: „Wir sind keine Endverbrauchermarke. Wir sind eine Händlermarke, das ist früher wie heute unsere Basis, in die wir viel Aufmerksamkeit investieren.“ Die digitale Kommunikation mit Endkunden sei eine Ergänzung.

Auf den Punkt aktuell
In der Summe hat das Unternehmen seine Kommunikation in Zusammenarbeit mit der Agentur Trendview von Grund auf digitalisiert. „Von nahezu null auf volle Bandbreite“, beschreibt Kevin Göbel den Prozess der letzten drei Jahre und spricht von „riesigen Schritten“. Und das alles hat zeitlich optimal gepasst. Denn als die Fachmessen 2020 pandemiebedingt ausfallen mussten und die Präsentationen in Windeseile ins Netz zogen, hatte systemceram aktuell produziertes Material parat. So konnten dem Fachhandel die Neuheiten nahtlos vorgestellt werden. Dass in diesem Herbst nun wieder physische Messen stattfinden, begrüßen die beiden Geschäftsführer dennoch sehr. Denn nur im persönlichen Kontakt könnten gemeinsame Verkaufsstrategien entwickelt und die Neuheiten im Original entdeckt werden. Entsprechend seien als weiterer Ausdruck der Digitalisierung Online-Schulungen zwar denkbar und möglich, werden aber von systemceram nicht favorisiert. Die persönliche Kontaktpflege ist dem Unternehmen wichtig.

Schritt für Schritt
Über die interne und externe Kommunikation hinaus findet bei systemceram parallel die Digitalisierung vieler innerbetrieblicher Prozesse statt. Das gilt für die Verwaltung, für die Logistik und für die Produktion und reicht von der Auftragsannahme über die Produktionssteuerung und den internen Informationsfluss bis zum Versand. Wobei viele Projekte ab Ende 2022 nochmal einen entscheidenden Schub erfahren werden. Denn aktuell plant das Unternehmen am Standort Siershahn eine große Investition in neue Gebäude für Logistik und Verwaltung inklusive einer neuen Ausstellung. Und im Anschluss daran weitere Modernisierungen der Produktion sowie Kapazitätsausweitungen. Die Pläne dazu werden im Herbst vorgestellt. Klar sein dürfte aber schon jetzt: Das werden dann die nächsten Riesenschritte vom Mittelstandsunternehmen systemceram ins Digitale sein.

Dirk Biermann